Stellungnahme der DGIIN, DIVI und DGAI zur S1-Leitlinie der DGfN

Stellungnahme der DGIIN, DIVI und DGAI zur S1-Leitlinie "Anforderungen an die Strukturqualität für intermittierende und kontinuierliche Nierenersatztherapie im Krankenhaus" - Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e.V. (DGfN)

Die deutschen intensivmedizinischen Fachgesellschaften „Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“ (DIVI), „Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin“ (DGIIN) und „Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ (DGAI) nehmen wie folgt Stellung:

  1. Die von der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) erstellte S1 Leitlinie richtet sich in weiten Teilen an die intensivmedizinische Versorgung im Krankenhaus. Das Regelwerk des AWMF betrachtet eine S1 Leitlinie als eine Handlungsempfehlung (HE) einer Expertengruppe an einen limitierten (eigenen) Adressatenkreis ohne strukturiertes Konsensverfahren. Trotz der limitierten Reichweite, sollte eine HE sinnvollerweise ausgewogen alle Berufsgruppen mit erfahrenen Anwendenden umfassen, Evidenzen bewerten und eine Verzerrung durch Partikularinteressen vermeiden (AWMF-Regelwerk, Version 2, S. 14). Die HE wurde jedoch ausschließlich durch die nephrologische Fachgesellschaft DGfN und durch zwei nephrologische Interessenverbände der leitenden Krankenhaus- und niedergelassenen Nephrologen/innen entworfen. Die intensivmedizinischen Fachgesellschaften waren in die Erstellung der Leitlinie nicht mit einbezogen und haben die Leitlinie auch nicht konsentiert.
  2. DIVI, DGIIN und DGAI lehnen die Empfehlungen der DGfN in weiten Teilen ab. Die von der DGfN in der Leitlinie aufgestellte Forderung, dass jedes akute Nierenversagen auf der Intensivstation nur in Kooperation mit Fachärzten für Innere Medizin und Nephrologie behandelt werden soll und beim Einsatz kontinuierlicher extrakorporaler Nierenersatzverfahren zwingend die Indikationsstellung, Verfahrensauswahl und Verfahrensdurchführung durch einen Facharzt für Innere Medizin und Nephrologie innerhalb von 24 Stunden bestätigt werden muss, geht an der Realität des klinischen Alltags vorbei. Diese Vorgaben sind weder sachgerecht, noch evidenzbasiert und flächendeckend so auch nicht umsetzbar. Auch eine zahlenbasierte Mindestanforderung der behandelten akuten Nierenversagen und Nierenersatzverfahren als Qualitätsmerkmal zur „Erlaubnis der Durchführung von Nierenersatzverfahren“ ist nicht evidenzbasiert und wird daher von DIVI, DGIIN und DGAI abgelehnt.
  3. Nierenersatztherapie bei kritisch kranken Patienten mit akuten Nierenversagen gehört seit vielen Jahren zu einem Standardverfahren der modernen Intensivmedizin mit speziellen Geräten und geschultem Personal. Die Intensivbehandlung – von Organversagen, sowie der differenzierte Einsatz von extrakorporalen Organersatzverfahren sind eine der Kernkompetenzen der Intensivmedizin und auch in den Weiterbildungsordnungen zur Zusatz-weiterbildung Intensivmedizin entsprechend verankert. Es ist gerade dem Einsatz der sehr gut ausgebildeten Fachärzte mit ZWB Intensivmedizin in Deutschland zu verdanken, dass Patienten hier umfassend, unter Einbeziehung aller Organsysteme und Organersatzverfahren und der Gesamtsituation des Patienten, therapiert werden.
  4. DIVI, DGIIN und DGAI weisen darauf hin, dass eine derartige berufspolitisch motivierte, auf einzelne Organsysteme fokussierte Intensivmedizin nicht zu einer Verbesserung der Versorgung von Patienten in der Intensivmedizin führen wird. Alle trennenden Aspekte in der Versorgung kritisch kranker Patienten halten DGIIN, DIVI und DGAI für nicht zielführend. Gefördert werden sollte vielmehr eine am individuellen Patientenwohl orientierte interdisziplinäre Zusammenarbeit, bei der die Beteiligung der Nephrologen wie auch die der Vertreter vieler anderer Fachrichtungen unbedingt erwünscht ist. Daher sollte die Indikationsstellung zum Nierenersatz und die Durchführung durch einen Facharzt mit Zusatzweiterbildung Intensivmedizin oder einen Nephrologen erfolgen können. Wir betrachten es als eine sinnvolle Aufgabe, sowohl den Intensivmediziner als auch den in der Intensivmedizin nur partiell tätigen Nephrologen in die Spezifika des intensivmedizinischen Nierenersatzes und der Therapie des akuten Nierenversagens fortzubilden und damit zu versuchen, langfristig eine Qualitätssteigerung durch Kooperation zu erreichen.
  5. Ein entsprechendes Sondervotum von DIVI, DGIIN und DGAI wurde in der bei der AWMF hinterlegten Leitlinie eingefügt.

Präsident der DGIIN
Präsident der DIVI
Präsident der DGAI

Prof. Dr. Carsten Willam
Sprecher Sektion Niere DIVI

Prof. Dr. Stefan John
Sprecher der Sektion Nephrologie DGIIN

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