SARS-CoV-2 Impfstatus darf nicht Grundlage einer medizinischen Behandlungsentscheidung sein

Berlin, 7. Oktober 2021 – In Anbetracht der beginnenden vierten Welle der Corona-Pandemie rechnen die internistischen Intensiv- und Notfallmediziner auch in diesem Herbst mit einer Zunahme an COVID-19-Erkrankten und damit einhergehend auch mit vermehrten schweren Krankheitsverläufen. Dies führt bei den Mitarbeitenden in den Krankenhäusern zu erheblichen Sorgen vor einer erneuten zunehmenden Belastung und Überlastung. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e.V. (DGIIN) in einer aktuellen Stellungnahme hin. Die Experten der DGIIN betonen, dass insbesondere bei steigendem emotionalen Druck und zunehmend limitierten Ressourcen in der Intensivmedizin, der Impfstatus der Patient:innen bei Behandlungsentscheidungen sowohl bei der Aufnahme in das Krankenhaus, auf die Intensivstation und im Verlauf einer Therapie und Pflege jedoch keine Rolle spielen darf.

Nach Berechnungen des Robert Koch-Instituts konnten durch Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus bereits mehr als 75.000 stationäre Behandlungsfälle, fast 20.000 intensivmedizinische Fälle sowie mehr als 38.000 Sterbefälle verhindert werden (1). „Das Impfen ist und bleibt der Schlüssel zur Bewältigung der Corona-Pandemie und zur Entlastung der Intensivstationen“, betont Professor Dr. med. Christian Karagiannidis. „Das zeigt sich auch darin, dass die überwiegende Mehrheit der aktuell wegen einer COVID-19 Erkrankung behandelten Patient:innen auf den Intensivstationen ungeimpft ist“, fügt der Präsident der DGIIN hinzu.
In einer Stellungnahme betont die DGIIN, dass diese große Zahl an Ungeimpften unter den Mitarbeitenden in der Intensivmedizin zu einem zunehmenden Unmut und einer hohen emotionalen Belastung führt. „Solche Aspekte müssen in regelmäßigen Teambesprechungen offen angesprochen, diskutiert und Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden“, so Professor Dr. med Uwe Janssens, Generalsekretär der DGIIN.
Gleichzeitig stellt die Fachgesellschaft klar, dass der Impfstatus bei Behandlungsentscheidungen keine Rolle spielt – weder bei der Aufnahme in das Krankenhaus oder auf die Intensivstation noch im Therapieverlauf oder bei der Pflege. „Ob geimpft oder ungeimpft: Alle Patient:innen erhalten bei entsprechender Indikation die gleiche Behandlung und Pflege. Grundlage der Entscheidung sind allein die medizinische Indikation sowie ein patientenorientiertes Therapieziel“, betont Janssens. „Diese rote Linie des medizinethischen Handelns darf niemals überschritten werden“, ergänzt Karagiannidis weiter.
„Das ärztliche Gelöbnis des Weltärztebundes aus der Deklaration von Genf und der Ethikkodex für Pflegende des International Council of Nurses (ICV) bilden die Grundlage unseres ethischen Handelns“, so die beiden Experten (2,3). Demnach dürfen soziale Merkmale, Alter, Religionen, Grunderkrankungen oder Behinderungen, aber auch persönliche Hintergründe und Haltungen der Patient:innen keinen Einfluss auf die Entscheidungen im Behandlungsverlauf nehmen (4).

Hier gelangen Sie zur ausführlichen Stellungnahme der DGIIN.

Quellen:
(1) Waize M, Scholz S, Wichmann O et al. (2021) Die Impfung gegen COVID-19 in Deutschland zeigt eine hohe Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2-Infektionen, Krankheitslast und Sterbefälle. Epid Bull 35:3-10
(2) Weltärztebund (2017) Deklaration von Genf - Das ärztliche Gelöbnis
(3) International Council of Nurses (2012) The ICN code of ethics for nurses.
(4) Marckmann G, Neitzke G, Schildmann J et al. (2020) Entscheidungen über die Zuteilung intensivmedizinischer Ressourcen im Kontext der COVID-19-Pandemie: Klinisch-ethische Empfehlungen der DIVI, der DGINA, der DGAI, der DGIIN, der DGNI, der DGP, der DGP und der AEM. Med Klin Intensivmed Notfmed 115:477-485

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