Stellungnahme der DGIIN zum Referentenentwurf des BMG zur Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen 2019

Ansprechpartner im Vorstand der DGIIN: Prof. Dr. Christian Karagiannidis (Christian.Karagiannidis@uni-wh.de)
und Prof. Dr. Reimer Riessen (Reimer.Riessen@med.uni-tuebingen.de)
Ansprechpartner Sektion Pflege der DGIIN: Carsten Hermes (carsten-hermes@arcor.de)

Die DGIIN begrüßt grundsätzlich die Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen in der Intensivmedizin zur Stabilisierung der aktuellen Krise insbesondere in der Intensivpflege. Pflegepersonaluntergrenzen sind ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegenden und zur Aufrechterhaltung der hohen medizinischen Versorgungsqualität in Deutschland. Im Folgenden möchten wir als Kommentar auf den Referentenentwurf einige Verbesserungsvorschläge zur Weiterentwicklung anbringen, die sich speziell auf den Bereich der Intensiv- und Notfallpflege beziehen. Wir haben hierzu bereits in einer Publikation in Teilen Stellung bezogen (1) und möchten darüber hinaus die wichtigsten Vorschläge in 10 Punkten zusammenfassen:

  1. Zur Verminderung des Pflegepersonalmangels ist es wichtig, die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte zu verbessern und insbesondere auch die Vergütung anzuheben. Hier setzen wir uns ausdrücklich für eine Erhöhung der Gehälter der Pflegenden, finanziert von Bund und Ländern - unabhängig von den Krankenhäusern - ein. Dies muss jedoch in Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen stehen, bis hin zu einer praxisnahen Akademisierung eines Teiles der Intensivpflegenden, allerdings mit dem Ziel, diese in der Patientenversorgung zu halten.
     
  2. Die Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen in der Intensivmedizin zum 01.01.2019 führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu vermehrten Sperrungen von Intensivbetten, da das erforderliche Pflegepersonal auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden ist. Ohnehin ist nach unseren aktuellen Erhebungen bereits ein relevanter Teil der Intensivbetten in Deutschland gesperrt, da viele Kliniken auf Grund des Pflegepersonalmangels freie Stellen nicht besetzen können (2). Wir empfehlen daher die Einführung bzw. Sanktionierung um mindestens sechs Monate nach hinten zu verlegen und die Zeit für einen nationalen Aktionsplan zur Stärkung der Pflege zu nutzen.
     
  3. Die Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen verstärkt leider auch den Einsatz von Zeitarbeits-Pflegekräften, deren hohe, durch die Fallpauschalen nicht abgedeckten Gehaltskosten die Krankenhäuser stark belasten. Das Gehaltsungleichgewicht zwischen den Zeitarbeitern und dem wesentlich niedriger bezahlten, aber besonders wertvollen Stammpersonal stellt dabei ein weiteres Problem dar, dass politisch reglementiert werden sollte.
     
  4. Insbesondere in manchen Ballungsgebieten gibt es im internationalen Vergleich eine hohe Anzahl von Krankenhaus- und Intensivbetten, die allerdings auf sehr viele Krankenhäuser verteilt sind. Die Vorhaltung einer qualitativ hochwertigen intensivmedizinischen  Versorgung ist an kleineren Krankenhäusern nur  eingeschränkt möglich, so dass die DGIIN empfiehlt, im Rahmen einer Krankenhausstrukturplanung koordiniert die Zahl der Intensivstationen respektive Krankenhäuser in Regionen mit sehr hoher Dichte selektiv zu reduzieren und den Mitarbeitern eine Weiterbeschäftigung an einem der verbleibenden, für die Notfallversorgung unverzichtbaren Krankenhäuser anzubieten, um den dortigen Personalmangel zu mindern. Es besteht ansonsten die große Gefahr, dass ein unkoordinierter und ruinöser Wettbewerb um Pflegekräfte für die Krankenhäuser entsteht und damit die Versorgungsqualität der Bevölkerung leidet.
     
  5. Der Schlüssel von 1:2 sollte wie im Referentenentwurf genannt Ausgangspunkt für die Personalbemessung auf Intensivbehandlungsplätzen sein, allerdings kann je nach Versorgungsaufwand, insbesondere im Hinblick auf Organersatzverfahren auch ein höherer oder auch niedrigerer Schlüssel angemessen sein. Bislang gibt es in Deutschland keine flächendeckende Erhebung der Struktur- und Personaldaten auf den Intensivstationen. Um die Auswirkungen der Einführung von Personaluntergrenzen abschätzen zu können, müssen die Krankenhäuser ab 1.1.2019 verbindlich Daten über die intensivmedizinischen Strukturen und die Personalbesetzung auf den Intensivstationen liefern. Es muss angegeben werden, wie viele voll ausgestattet Intensivbehandlungsplätze/Beatmungsbetten und wie viele Intensivüberwachungs-/oder IMC-Betten mit welchem Personalschlüssel vorgehalten werden. Wir schlagen vor, sobald die Einteilung der Krankenhäuser in die vom KSG bzw. G-BA vorgegebene Notfallstufenregelung umgesetzt ist, die Daten bundesweit separat für die drei Versorgungsstufen auszuwerten, um zwischen Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgern unterscheiden zu können.

  6. Der  Referentenentwurf bezieht sich auf das Verhältnis von Patienten/Pflegekraft, nicht auf Intensivbett/Pflegekraft wie die Empfehlung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der European Society of Intensive Care Medicine (ESICM) (3,4). Eine Planung bezogen auf Intensivbetten ist in Anbetracht der vielen Notfälle in der Intensivmedizin angemessener.
     
  7. Die für die Intensivstationen ermittelten Struktur- und Personaldaten sollten vom INEK mit den DRG-Leistungsdaten gemeinsam ausgewertet werden. Für die im Referentenentwurf vorgesehene Ermittlung des Pflegeaufwandes ist allerdings der im intensivmedizinischen Komplexcode bisher verwendete TISS 10 aus unserer Sicht ungeeignet. Hier sollte für den Intensivbereich speziell neu entwickelte Systeme evaluiert werden.  Als Beispiel sei das am Universitätsklinikum Heidelberg entwickelte, und bereits an vielen Kliniken eingesetzte INPULS-Intensivpflegedokumentationssystem zu nennen (5).

  8. Wir begrüßen die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums, ab 2020 eine Reform der Krankenhausfinanzierung einzuleiten und die Pflegekosten aus den DRG-Fallpauschalen auszugliedern. Für die Intensivmedizin sollte das Ziel darin bestehen, auf der Basis valider Struktur- und Leistungsdaten die für eine suffiziente Versorgung notwendige vorgehaltene Zahl an Intensivpflegekräften eines Krankenhauses angemessen gegen zu finanzieren.  Hier könnte das österreichische Modell als Vorbild dienen (6).

  9. Im Rahmen der Neuordnung der Notfallversorgung und der vom Sachverständigenrat Gesundheit empfohlenen Einführung von Integrierten Notfallzentren (INZ) (7) weisen wir darauf hin, dass aus unserer Sicht auch die Notaufnahmen/INZ von Krankenhäusern als pflegesensitive Bereiche angesehen werden sollten und auch hier angemessene Personalbemessungsmodelle entwickelt und angewendet werden müssen.
     
  10. Die DGIIN hält es für notwendig, dass die Belange der Krankenhäuser und deren Beschäftigten in den aktuellen Verhandlungen nicht nur von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vertreten werden, sondern dass auch die Medizinischen Fachgesellschaften und Pflegeverbänden angemessen einbezogen werden.

Literaturverzeichnis

  1. Riessen R, Hermes C, Bodmann K-F, Janssens U, Markewitz A. Vergütung intensivmedizinischer Leistungen im DRG-System. Med Klin - Intensivmed Notfallmedizin. 2018 Feb 1;113(1):13–23.
  2. Karagiannidis C, Kluge S, Riessen R, Krakau M, Bein T, Janssens U. Auswirkungen des Pflegepersonalmangels auf die intensivmedizinische Versorgungskapazität in Deutschland. Med Klin - Intensivmed Notfallmedizin [Internet]. 2018 Jul 9 [cited 2018 Sep 4]; Available from: https://doi.org/10.1007/s00063-018-0457-3
  3. Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Empfehlungen zur Struktur von Intensivstationen [Internet]. [cited 2018 Sep 3]. Available from: https://www.divi.de/empfehlungen/publikationen/intensivmedizin
  4. Valentin A, Ferdinande P, Improvement EWG on Q. Recommendations on basic requirements for intensive care units: structural and organizational aspects. Intensive Care Med. 2011 Sep 15;37(10):1575.
  5. Universitätsklinikum Heidelberg: INPULS Pflegekategorien [Internet]. [cited 2018 Sep 3]. Available from: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Pflegekategorien.100581.0.html
  6. Joannidis M, Klein SJ, Metnitz P, Valentin A. Vergütung intensivmedizinischer Leistungen in Österreich. Med Klin - Intensivmed Notfallmedizin. 2018 Feb 1;113(1):28–32.
  7. Gutachten 2018 | Gutachten | svr-gesundheit.de [Internet]. [cited 2018 Sep 3]. Available from: https://www.svr-gesundheit.de/index.php?id=606

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